Wir waren dieses Jahr mit WikiAhoi wieder bei der SMWCon dabei. Die Konferenz zu Semantic MediaWiki findet zweimal pro Jahr statt, im Frühling in Nordamerika und im Herbst in Europa. In freundlicher, persönlicher Atmosphäre wurden technische Neuigkeiten, innovative Projekte und besondere Anwendungsfälle besprochen. Wir lassen Sie an den wichtigsten Neuerungen teilhaben.
Anwendungsfälle identifizieren – oder: Wann verwenden wir ein Wiki?
Zuletzt aktualisiert am 29. Juni 2022.
Wenn Sie ein Wiki nicht als Ihre eigene, private Datenbank nutzen möchten, sondern sich in Ihrem Unternehmen mit einem Team abstimmen, ist es gut, wenn Sie sich vor dem Einsatz bereits mit möglichen Anwendungssituationen auseinandersetzen. In welchen Fällen soll das Wiki als Dokumentations-, Informationsvermittlungs- und Kommunikationskanal verwendet werden? Bestimmen Sie diese Fälle gemeinsam im Team, halten Sie die Ergebnisse schriftlich fest und stellen Sie dann für die Umsetzung die nötigen Vorlagen und Formulare bereit.
1. Themen und Kommunikationswege
Denken Sie an die Themen, die in Ihrem Team diskutiert werden sowie an Kommunikationswege, auf denen diese Diskussionen stattfinden. Die Themen bieten die Inhalte des Wiki und die Kommunikationswege können durch das Wiki unterstützt, ersetzt, vereinfacht werden.
Ein Architekturbüro etwa muss sich über den Status laufender Projekte abstimmen, braucht eine Datenbank für Informationen zu Normen und Richtlinien, Materialien und Dienstleisterinnen und Dienstleistern. Außerdem gibt es Abgabetermine, Baubegehungen, PraktikantInneneinschulungen. Die Dokumentendatenbank kann im Wiki kontextualisiert werden, die Normen und Richtlinien verlinkt und kommentiert werden, Infos zu Materialien und DienstleisterInnen gesammelt werden. Für Termine gibt es einen Projektkalender und für Einschulungen das MitarbeiterInnenhandbuch.
2. Mögliche Verbesserungsfelder
Nun versuchen Sie zu identifizieren, was in Ihrer Dokumentation und Kommunikation verbessert werden könnte:
- Nervt Sie das Suchen von Informationen in alten E-Mails? – Deponieren Sie die Informationen im Wiki und versenden Sie nur die Links dorthin.
- Verlieren Sie den Überblick über die Kleinigkeiten, die noch erledigt werden müssen? – Schreiben Sie alle Aufgaben ins Wiki und sortieren Sie sie nach Priorität, Verantwortlichen, Deadline.
- Möchten Sie Ihre Rechercheergebnisse und Ideen festhalten? – Teilen Sie sie im Wiki mit dem Team.
Suchen Sie bei diesem Ansatz nicht nur nach den offensichtlichen Problemen, manche Schwierigkeiten und Möglichkeiten halten sich auch versteckt: Etwa kann es vorkommen, dass neue Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter, etwa aus Angst, unwissend dazustehen, gewisse Fragen einfach nicht stellen. Eine zeitlich und personell unabhängige Datenquelle kann die Autonomie in der Informationsbeschaffung fördern.
Die Zeit, die für das Recherchieren, Suchen und Zusammenstellen von Informationen aufgewendet wird, ist Ihren Kundinnen und Kunden oft nicht direkt verrechenbar, wird aber meist (zurecht) nicht als Zeitverschwendung empfunden. Neu erlerntes Wissen wird auch für andere Teammitglieder nützlich und nutzbar, wenn es in seiner bereits aufbereiteten Form mit allen geteilt wird.
3. Wiki-Anwendungsfälle niederschreiben
Skizzieren Sie nun kurz die geplanten Anwendungsfälle für das Wiki: In welcher Situation soll das Wiki als Kommunikationskanal und Dokumentationsstelle bevorzugt werden? Halten Sie diese Bestimmungen schriftlich im Wiki fest, schreiben Sie nieder, was wann wie eingegeben wird, was woanders Platz hat. Kontrollieren Sie, ob alle nötigen Formulare, Vorlagen, Kategorien und Abfrageformulare bereits vollständig sind und verlinken Sie auf Hilfe zu Formularen, Kontaktpersonen bei Unklarheiten usw. Später können natürlich noch weitere Anwendungsfälle dazukommen, aber für den Anfang ist es hilfreich, sich auf wenige konkrete Anwendungsfälle im Team zu konzentrieren, bis sich das System gut auf Sie – und umgekehrt – eingespielt hat.
Ein Beispiel: Webshop organisieren mit Wiki als Projektmanagement-Tool
Ein GründerInnenteam von 3 Personen möchte einen neuen zweisprachigen Webshop für ein neues Produkt gestalten und online bringen. Dafür gilt es viele Dinge zu erledigen:
- Design und Programmierung recherchieren, anfragen, beauftragen
- Anforderungsliste für die Website zusammenstellen (Screendesign & gewünschte Funktionen)
- Texte für die Website schreiben, korrigieren, übersetzen
- Produktbeschreibungen und Produktfotos erstellen
- Zahlungsmodalitäten recherchieren und mit Kreditkartenfirmen Kontakt aufnehmen
- Hosting und Webshop-System aussuchen, Domain kaufen
- …
Neben persönlichen und telefonischen Gesprächen stimmt sich das Team hauptsächlich über E-Mail ab. E-Mail ist grundsätzlich eine gute Wahl für eine Art Gesprächsablauf, aber ein nicht sehr geeignetes Medium für das Deponieren von Informationen, die später wieder gebraucht werden. Auch mit dem Hin- und Hersenden von Dokumenten wurde das Team nicht sehr glücklich und Online-Speichersystemen von Dokumenten fehlte das Hinzufügen von Kontext und Kommentaren.
Für die Organisation des Projektablaufs rund um die neue Website hat sich das Team nun für das Wiki entschieden. Es definiert für sich folgende Anwendungsfälle:
- Aufgabenliste. Offene Aufgaben, die den Webshop betreffen, werden mittels Formular in das Wiki eingetragen. Einer Aufgabe wird stets mindestens eine verantwortliche Person, eine Priorität und eine Deadline zugeordnet. Umfangreiche zusätzliche Informationen können im Freitext eingegeben werden bzw. wird auf weitere (interne und externe) Seiten verlinkt. Zur Übersicht gibt es einen Kalender im Wiki, wo alle noch offenen Aufgaben mit ihrem Zeitrahmen angezeigt werden. Somit bleibt der Gesamtstatus des Projekts stets übersichtlich – was bleibt noch zu tun, was ist schon erledigt, woran arbeitet meine Partnerin, mein Partner?
- Kommunikation über Aufgaben. Rückfragen zu Aufgaben werden direkt im Wiki gestellt, Antworten können als Kommentare hinzugefügt werden. Über Änderungen können sich die Teammitglieder per E-Mail, RSS-Feed oder direkt im Wiki benachrichtigen lassen. Somit werden E-Mail-Diskussionen über Aufgaben eingespart und können später jederzeit eingesehen werden.
- Textbausteine. Textbausteine werden im Wiki gesammelt und stetig von den Teammitgliedern ergänzt. (Gute Einfälle kommen manchmal zwischendurch.) Am Ende werden die Texte Korrektur gelesen. Das ermöglicht einfaches gemeinsames Arbeiten an Texten.
- Textübersetzung. Die Texte werden direkt im Wiki von Deutsch auf Englisch übersetzt. Die performante Übersetzungsfunktion erleichtert diese Aufgabe ungemein, Texte können in übersichtlichen Häppchen übersetzt werden, Änderungen am Originaltext führen zu einer erneuten Übersetzungsanforderung.
- Anforderungsprofil und Programmiererkontakte. Das Anforderungsprofil wird Schritt für Schritt gemeinsam im Wiki entwickelt, bis es bereit ist für den Übertrag zu den Dienstleistungsunternehmen für Grafik/Design/Programmierung. Die Änderungsfunktion mit einem Klick verringert die Hemmschwelle für Ergänzungen und Korrekturen. Die Kontakte werden für alle sichtbar im Wiki gesammelt; Website, Preise, Referenzen etc. werden zu den einzelnen Dienstleisterinnen und Dienstleistern recherchiert. Bevor das Anforderungsprofil nach draußen geht, wird es in einer Besprechung noch einmal unter die Lupe genommen, Basis ist dafür der Text aus dem Wiki.
Die Teammitglieder erstellen gemeinsam eine Seite im Wiki, auf der sie diese Vereinbarungen kurz schriftlich festhalten. Nach einem Gesprächstermin über die Inhalte – oder währenddessen – erstellt einer der Teampartner die relevanten Seiten im Wiki. Mit der Zeit werden auch immer mehr Aufgaben hinzugefügt – und die ersten auch erledigt und ins Archiv verschoben.
Was ist der Vorteil von festgelegten Anwendungsfällen?
Bereits in kleinen Teams ist gute Abstimmung das A und O für einen reibungslosen Projektablauf. Da jede Systemumstellung und Neuerung eine gewisse Eingewöhnungszeit braucht, möchte man sich nicht schon am Anfang verzetteln. Weniger ist hier mehr! Wenn von Beginn an klar bestimmt wird, was in welchen Fällen zu tun ist, bzw. welche Software, welches System für welche Fälle verwendet wird, spart dies wertvolle Zeit und Nerven. Niemand sucht gerne Informationen, jeder findet sie lieber.
Treffen Sie die Entscheidung für einen Anwendungsfall und legen Sie los. In der Praxis zeigen sich noch zu überwindende Hürden und Ausbaumöglichkeiten am besten. Mit dem Fokus auf einen einzigen, bestimmten Anwendungsfall können Details im Ablauf direkter verfolgt und angepasst werden. Schnell wird klar, wenn hier noch ein kleines Formularfeld fehlt und dort noch eine Feedback-Routine eingerichtet werden muss. Der Fokus auf einen Anwendungsfall mag erst etwas klein bemessen aussehen, führt aber mittelfristig zu qualitativ hochwertigeren Ergebnissen und schnelleren Kommunikationsabläufen. So sparen Sie an Kommunikation über Kommunikation.
Gleichzeitig entstehen während der Anwendung oft schon Ideen für weitere passende Anwendungsfälle, die dann ebenso einmalig genau geprüft und bestimmt werden sollten.